Besprechung von Lothar Rumold anlässlich einer Ausstellung in der Künstlerhausgalerie in Karlsruhe:
Gerold Bursian malt mit Wachs-Acrylfarbe auf Holzplatten, die er zuvor mit Stoff überzogen hat. Die Werke entstehen durch lasierendes Übermalen der vom Künstler so genannten Kohärenzebene, die im wesentlichen, Sie können das an den hier gezeigten Bildern unschwer erkennen, aus einem dichten Gitter dunkler Linien besteht. Der lineare Zusammenhang wird mit dem Fortschreiten des Malprozesses zunehmend gestört und visuell aufgebrochen. Diese Fragmentierung führt gelegentlich zu Inselbildungen – dann häufig auch verbunden mit einer farblichen Differenz – im allgemeinen aber gleichen die Bruchstücke Schnipseln oder Buchstaben- beziehungsweise Zeichenfragmenten. Oppositionelle Begriffspaare scheinen im Bann dieser Bildräume kreative Koalitionen eingegangen zu sein: Verspieltheit mit Strenge, Ordnung mit Chaos, Präformiertheit mit freier Setzung. Das eine schließt das andere in Bursians Welt offenbar nicht aus.
Wenn Salvador Dali Recht hat, dann erweist sich die Zeitgenossenschaft von Malerei auch aufgrund ihres Bezugs zu einer bestimmten Kosmogonie, also einer wissenschaftlichen oder auch mythischen Theorie von der Entstehung und der Beschaffenheit der Welt. Es war Gerold Bursian, der mich auf Dalis Annahme eines solchen Zusammenhangs hingewiesen hat.
Wer Bursians Bilder in diesem Sinne als Welt-Bilder jenseits der bloßen Illustration, als gemalte Erzählungen von der Welt wahrzunehmen bereit ist, der taucht ein in einen Kosmos mit nicht eindeutig bestimmbaren räumlichen und zeitlichen Verhältnissen. Während die theoretische Physik noch an einer „Quantentheorie der Gravitation“ arbeitet, wie Steven Hawking in seiner „Kurzen Geschichte der Zeit“ schreibt, also an der Vereinheitlichung der Theorien über den Mikro- und den Makrokosmos, scheint diese Vereinheitlichung in Bursians Bildern bereits erreicht zu sein. Denn wer wollte entscheiden, ob dieser Kosmos mikro- oder makrosphärisch zu verorten ist, ob wir als Betrachter eher in die Rolle des Astrophysikers oder eher in die des Biochemikers zu schlüpfen haben. Unbestimmtheit der Raum-Zeit-Koordinaten heißt auch: wir können nicht wissen, ob die fragmentarischen Gebilde, die Bursians Bildräume aufspannen, als Bausteine eines Zukünftigen oder Bruchstücke eines Gewesenen zu betrachten sind. Oder, um mich auf ein weiteres assoziatives Glatteisfeld zu begeben: werfen wir, wenn wir diese immer wiederkehrenden dunklen Zeichenfragmente sehen, einen Blick in die Ur-Buchstaben-Suppe vor jenem Anfang, an dem das Wort war, wie es im Johannesevangelium heißt, oder begegnen uns hier die post-apokalyptischen Bruchstücke letzter Zeichenfolgen, gesendet unmittelbar vor dem längst schon angekündigten katastrophalen Showdown?
Aber in zyklischen wie auch in zeitlosen Verhältnissen ist jedes sogenannte Danach auch ein sogenanntes Davor, so dass wir es hier womöglich mit einer Art zeit- und raumlosen Welt zwischen oder neben den Welten zu tun hätten, einem Paralleluniversum, um nochmals ein Stichwort aus dem gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Diskurs aufzugreifen. Auf jeden Fall haben wir es zu tun mit dem Paralleluniversum der Kunst, in dem die oben schon angedeutete Aufhebung von Paradoxien nichts Ungewöhnliches ist: ein ortloser Raum in zeitloser Zeit, ein Irgendwo im Nirgendwo, ein Irgendwann im Nirgendwann. Wem diese inhaltliche Lesart der Bilder nicht behagt, der mag sie genießen als freies, wenn auch nicht regelloses Spiel der Farben und Formen. Für eine kosmogonische Deutung spricht immerhin, dass Gerold Bursian selbst auf sein lebhaftes Interesse an wissenschaftlichen Weltentwürfen als dem gedanklichen Hintergrund seiner künstlerischen Arbeit hinweist.
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Besprechung von Lothar Rumold anlässlich einer Ausstellung mit dem Titel „STATIONEN“ in der Künstlerhausgalerie in Karlsruhe:
Meine Damen und Herren,
stellen Sie sich vor, so gut wie alle Karlsruher würden nach einer großen humanitären und noch
dazu von Menschen gemachten Katastrophe im Laufe weniger Jahre die Stadt verlassen und statt
ihrer würden, sagen wir einmal, Holländer oder Belgier oder Elsässer die Straßen und Plätze
bevölkern und in den noch bewohnbaren Häusern wohnen. Vergleichbares geschah nach dem
Zweiten Weltkrieg in der 270 km östlich von Dresden gelegenen Stadt Breslau, die bei
Kriegsbeginn 620.000 deutschsprachige Einwohner hatte, und in der heute wieder etwas mehr als
620.000 Menschen leben, die allerdings nicht Deutsch, sondern Polnisch sprechen. Als Gerold
Bursians Eltern vor knapp 70 Jahren mit ihrem kurz nach Kriegsende (1946) geborenen kleinen
Sohn Breslau verließen, gehörten sie zu den letzten Deutschen, die sich Richtung Westen auf den
Weg machten. Ein paar Jahre später kamen die Ex-Schlesier nach Karlsruhe, wo Gerold Bursian
seither ohne nennenswerte Unterbrechung gelebt und, seit man sein kreatürlich-kreatives Wirken
und Werken Arbeit nennt, gearbeitet hat.
Gerold Bursian hat Ende der 1960er Jahre an der Karlsruher Kunstakademie Kunst und
künstlerisches Werken studiert, Fritz Klemm und Georg Meistermann gehörten zu seinen Lehrern.
Noch als Kunststudent wurde er BBK-Mitglied. „Landschaft oder Porträt?“ fragte man ihn damals,
vor 49 Jahren, im alten Büro des Vereins in der Karlstraße. Landschaft käme ungefähr hin, würde
ich beim Blick auf die hier versammelten Bilder sagen – was Gerold Bursian 1969 geantwortet hat,
entzieht sich meiner Kenntnis. Zehn Jahre später spielte der mittlerweile zum Vereins-Vorsitzenden
Gewählte zusammen mit Siegfried Schenkel, der Ko-Vorsitzender war, eine maßgebliche Rolle bei
den Verhandlungen des Vereins mit der Stadt Karlsruhe – Verhandlungen, die 1979 zur Einrichtung
des Künstlerhauses führten. Davor besaß der BBK bzw. dessen Vorgänger-Verein keine eigenen
Ausstellungsräume.
Wer mehr Biographisches erfahren und auch Abbildungen der älteren Bilder sehen möchte: Unter
dem Titel STATIONEN hat Gerold Bursian anlässlich der aktuellen Ausstellung einen
autobiografischen Katalog herausgegeben, in dem er seine künstlerische Entwicklung, seine private
und berufliche Lebenssituation wie auch seine Tätigkeit im BBK mit Fotografien und
Zeitungsausschnitten dokumentiert hat.
Wenn es etwas gibt, das die Bilder dieser Ausstellung eint (abgesehen davon, dass es sich bei ihrem
Schöpfer um Gerold Bursian handelt), dann sind es die schmalen geraden Kanäle, die sich auf
ausnahmslos jedem der Bilder (ein feinmaschiges Gitter bildend) von Bildrand zu Bildrand ziehen.
Es handelt sich dabei um plastische Vertiefungen im Material der Bildoberfläche und damit
sozusagen um das Gegenteil der Trompe-l’oeil-Malerei des Barock, bei der gemalte
Architekturelemente auf der Fassade und im Inneren von Gebäuden so tun, als wären sie real, also
dreidimensional-plastisch vorhanden. Auch hier, bei den Bildern von Gerold Bursian, geht man
also, solange man nicht so genau hinsieht oder die Werke nur von Abbildungen kennt, einer
Täuschung auf den Leim: Man meint zunächst eine gemalte Illusion zu sehen und wird dann mit
Plastisch-Realem konfrontiert, muss sich also, wenn man so will, mit der Realität begnügen,
wohingegen man bei den aufgemalten Pfeilern und Kapitellen des Barock und der Lüftlmalerei mit
Plastischem gerechnet hatte und nach genauerem Hinsehen mit einer Illusion vorliebnehmen muss,
wobei in der Kunst zwischen Vorliebnehmenmüssen und Kunstgenuss nicht wirklich unterschieden
werden kann. Man könnte sogar soweit gehen zu sagen: Kunst ist, wenn das Vorliebnehmenmüssen
als Genuss empfunden wird, unabhängig davon, ob man sich mit einer Illusion oder, wie im Fall der
Bilder dieser Ausstellung, mit der Realität einer echten Vertiefung begnügen muss.
Ist das Bursiansche Ironie? Ein kunsthistorischer Scherz am Rande? Ich möchte mich in dieser
Frage nicht festlegen. Was aber nachdenklich stimmt, ist der Umstand, dass der deutsche Meister
der literarischen Ironie Thomas Mann von seinen Angehörigen gern „der Zauberer“ genannt wurde und
der aus Ostpreußen stammende Name Bursian mit „kleiner Magier“ oder „kleiner Zauberer“
übersetzt werden kann.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie, dass ich mich wiederhole: Wenn es etwas gibt, das die
Bilder dieser Ausstellung eint, dann sind es die schmalen Kanäle, die sich auf jedem der Bilder,
ohne Ausnahme, von Bildrand zu Bildrand ziehen und dabei so etwas wie ein Gitter bilden – ein
Gitter, aber kein Raster, dafür verlaufen die Linien zu unregelmäßig. In ihnen scheinen natürliche
Prozesse und planerische Bestrebungen gleichermaßen am Werk gewesen zu sein.
Apropos Werk. Schon im biographischen Teil meiner Rede ist von Gerold Bursians Wirken und
Werken die Rede gewesen, vielleicht erinnern Sie sich. Die Wörter „Werk“ und „wirken“ sind
etymologisch mit dem griechischen „ergon“ für „Arbeit“ und „Werk“ verwandt. Auch das Wort
„Energie“ stammt aus demselben sprachlichen Quellgebiet. Lassen Sie mich einige weitere Wörter
nennen, bei denen sich, wie ich meine, der referentielle Bezug zu den Bildern dieser Ausstellung
wie von selbst ergibt: „Fachwerk“, „Mauerwerk“, ebenso „Tauwerk“: „in der Seemannssprache der
Oberbegriff für alle geschlagenen und geflochtenen Seile aus Natur- und synthetischen Fasern“, wie
man bei Wikipedia erfährt. Und in der deutschen Baustellen-Hauptstadt Karlsruhe liegt es nahe,
darauf hinzuweisen, dass ein Gitterwerk aus Armierungseisen, die sogenannte Bewehrung, einem
Bauwerk aus Beton erst Stabilität verleiht.
Ein Werk im Sinne von Fach-, Mauer- und Tauwerk ist also der erste und womöglich auch letzte
Grund eines jeden Bild-Werkes in dieser Bilder-Versammlung. Mit Grund meine ich zunächst die
materielle Grundlage, den Malgrund, den Baugrund des Bildes verstanden als Baustelle. Dieser
Grund und Boden des darauf Gemalten bleibt immer sichtbar. Auch passt er sich dem, was sich
dann auf ihm abspielt in keiner Weise an. Er ist und bleibt unverwandt da. Wenn es auf ihm hell und
bunt zugeht, reflektiert er die Farben und das Licht – wo es über ihm Nacht wird, liegt er im
Dunkeln. Seine Grund-Linien folgen dem Handlungsverlauf der Szenen, die sich auf ihm abspielen,
nicht. Scheinbar teilnahmslos, dafür aber um so verlässlicher, ist er das Allem-zugrunde-Liegende.
Manchmal, bei sich bietender Gelegenheit, wird der Grund in das Licht- und Farbenspiel
einbezogen, helle Streifen folgen dem Liniengitter da und dort ein Stück weit. Ein Regieeinfall ist
das, ein Spiel, eine Laune, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Gerold Bursians Werk ist so vielschichtig und komplex, dass man ihm im Rahmen einer allzu
schnell an diverse Grenzen stoßenden Ausstellungseröffnungsrede unmöglich gerecht werden kann.
Seine Vielschichtigkeit und Komplexität ist diesem Werk zugewachsen im Laufe eines halben
Jahrhunderts künstlerischen Arbeitens, wozu ich auch das Unterrichten zähle: Gerold Bursian gab
und gibt Mal- und Zeichenkurse. Mit keinem Wort erwähnt habe ich bis jetzt die Klangkunst- und
Videoarbeiten, deren Spuren auch im malerischen Werk nachweisbar sind, so etwa in einem Bild
mit dem Titel „Weltenklang“, eine Arbeit aus dem Jahr 2013, die hier leider nicht zu sehen ist.
Um am Ende doch etwas mehr als nichts gesagt zu haben, möchte ich im letzten Drittel meiner
Rede das ein oder andere Schlaglicht werfen auf diesen und jenen Aspekt von Gerold Bursians
malerischem Werk, um nicht zu sagen Mal-Werk.
Bursians Farbpalette hat sich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte gewandelt und ist doch letztlich
dieselbe geblieben. Von Red über Yellow bis Blue war immer alles vorhanden, bei einer gewissen,
periodenweise allerdings sehr deutlichen Bevorzugung einer Lichtwellenlänge von 400 nm und dem
entsprechenden Komplementärbereich (400 nm ist, wie Sie alle wissen werden, die Wellenlänge
von blauem Blau); Grün gibt es vorzugsweise als Gelbgrün, Rot kommt vor, doch wird von ihm
sparsam Gebrauch gemacht. Gebrochenheit und Transparenz, das Lasurartige ist über die Jahre
konstant geblieben. Völlig intransparente, rein, geschlossen und schwer wirkende Farbflächen wird
man Gerold Bursian nicht nachweisen können. Zwar gibt es bei ihm Farbgebung, aber nirgendwo
einen Anstrich. Ein Satz wie der, den Hans Thoma einmal geäußert haben soll: „Gut angestrichen ist
halb gemalt“, würde Gerold Bursian wohl kaum über die Lippen kommen.
Wer von den Farben spricht, wird von den Formen nicht schweigen wollen. Farbe und Form fallen
bei den Bildern dieser Ausstellung – und nur von ihnen soll jetzt die Rede sein – allerdings insofern
auseinander, als die veritablen, begrifflich fassbaren Formen, die mehr sind als amorphe Schlieren,
flüchtige Fetzen und vage Schatten, in gewisser Weise farblose Formen sind. Da gibt es zum
Beispiel das Oval (das Bild hängt im oberen Raum), das die in seinem Rund erscheinenden Licht-
und Schatteneffekte in zarten Rosa- und Gelbtönen zwar reflektiert, aber nicht als Eigenfarbe trägt.
Von diesem Oval kann man bezüglich seiner Farbe nur sagen, dass man über sie nichts sagen kann,
immerhin ist das Oval selbst mehr als nur die Idee eines Ovals, es sei denn, man würde akzeptieren,
dass es Ideen gibt, die einen Schatten werfen. Ähnliches gilt für die drei spindelförmigen Ovale, die
auf der von ihnen umgrenzten Fläche ein Spiel von Hell und Dunkel ermöglichen und deren
Gegenständlichkeit und Materialität sich reduziert auf diese Ermöglichung von etwas, das sie selbst
nicht sind.
Das ist, nebenbei bemerkt, ein irritierendes Moment nicht weniger dieser Bilder: Ich habe den
Eindruck, dass sie oft so etwas wie Spiegel sind, in denen sich etwas zeigt, das außerhalb des
Bildes, also eigentlich auf der Seite des Betrachters verortet werden muss. Wenn ich „auf der Seite
des Betrachters“ sage, so meine ich allerdings nicht in der Welt des Betrachters. Die Realität, die
sich in den Spiegel-Bildern zeigt, liegt nicht nur vis-a-vis des Bildes, sondern auch noch jenseits der
Wirklichkeit des Betrachters. Wie sonst wäre es zu erklären, dass wir zwar Licht von Lichtquellen
und Schatten von Gegenständen, aber keine Spur unserer Anwesenheit unter diesen Gegenständen
entdecken können.
Glaubt man an die Gültigkeit von Frank Stellas positivistischem Diktum „What you see is what yousee“,
so ist jede Bildinterpretation von vornherein Überinterpretation. Es wäre dann also nur ein
weiterer Schritt in eine ohnehin falsche Richtung, wenn ich im Anschluss an das eben Gesagte noch
einen Schritt weiter gehen und behaupten würde, in einer Reihe von Bildern dieser Ausstellung
mache sich eine Tendenz zu so etwas wie einem Autismus des Bildes bemerkbar. Autistischen
Bildern, die selbstgenügsam in einer in sich hermetisch geschlossenen Sphäre mit sich alleine
bleiben wollen – solchen Bildern müsste es gelingen, den Rezeptionsraum ins Bild zu holen und
dadurch als äußere Wirklichkeit zum Verschwinden zu bringen. Bei einigen Bildern scheint mir dies
beinahe gelungen zu sein. Mein Verdacht, dass wir es bei Gerold Bursian mit einem Bild-Magier zu
tun haben könnten, würde damit erhärtet.
Wenn man den Ort der Bildbetrachtung ins Bild integrieren kann, dann müsste es grundsätzlich
möglich sein, auch den Ort der Bildzerstörung zu inkorporieren, den Ikonoklasmus zu
internalisieren und zur inneren Angelegenheit zu erklären. Kunsthistorisch Gebildete meinen zu
wissen, dass in den aufgeschlitzten Bildern von Lucio Fontana ab 1958 der Ikonoklasmus in der
Bild-Kunst der Moderne thematisch wurde. Lucio Fontana selbst hat über seine Bild-Schnitte
allerdings gesagt: „Wenn ich ein Bild mit einem Schnitt mache, will ich kein Bild machen: ich öffne
einen Raum, eine neue Dimension“. Fontanas Bildersturm fand also nach Fontana nicht Bild-intern
statt, sondern war Teil eines zunächst banalen außerbildlichen Geschehens mit dem für Nicht-
Kunstgläubige allzu hoch gesteckten Ziel, in eine nicht näher bestimmte neue Dimension
vorzustoßen. In Gerold Bursians Bildern dagegen findet die Zerstörung des Bildes im Bild statt. Wir
sehen, wie das Bild zerbricht, aufgeschnitten oder aufgerissen wird. Der Karton, auf den der Maler
seine Bilder teilweise malt, wird als Trompe-l’oeil im Querschnitt sichtbar. Ein im Bild
aufgeschnittenes Bild ist allerdings eine gemalte Tautologie. Ich bin, der ich bin, sagt der Eine über
sich selbst. Das Unumgängliche hat tautologischen Charakter. Durch Fontanes reale Messer-
Schnitte hindurch fällt der Blick nicht in eine neue Dimension der Wirklichkeit, sondern bestenfalls
auf sauber angestrichene Museumswände. Durch Bursians gemalte Aufbrüche, Einschnitte und
Aufrisse fällt der Blick auf Gemaltes. Im Bild mit dem Titel „Camouflage, zerbrochen“ (2018) sieht
man zwei Bilder, deren verschieden hohe Rahmen sich ineinander geschoben zu haben scheinen.
Zwei Bilder sind hier zu einem Bild verwachsen. Und ein Bild ist ein Bild ist ein Bild auch noch
dann, wenn es das Ende des Bildes zum Thema hat.
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